Corona: Presse

Ingeborg Neumann: Unternehmen brauchen die Hilfen jetzt!

01.04.2020

Gesamtverband fordert dringende Nachbesserung des KfW-Kreditprogramms

Die Textilwirtschaftvom 01.04.2020 berichtet, dass der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung begrüßt, das KfW-Kreditprogramm im Corona-Rettungsschirm nachzubessern. Die Schweiz, die zinsfreie Überbrückungskredite in kurzer Zeit vergibt, sieht der Industrieverband als Vorbild.

Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Die Nachbesserungen müssen jetzt und sofort passieren. Das bankübliche Prüfungsverfahren führt in der jetzigen angespannten Situation dazu, dass viele Mittelständler leer ausgehen. Hier muss der Bund einspringen. Die Schweiz macht es vor und gibt zinsfreie Überbrückungskredite in kurzer Zeit. Der Staat trägt das Ausfallrisiko bei Krediten bis zu 500 000 CHF zu 100 Prozent mit einem Zinssatz von 0 Prozent. Sollte das EU-Beihilferecht einer im Ergebnis 100prozentigen Ausfallbürgschaft des Bundes entgegenstehen, ist dringend und kurzfristig eine entsprechende Anpassung auf Brüsseler Ebene erforderlich. Außerdem ist die fünfjährige Laufzeit der KfW-Kredite zu kurz und muss auf 10 Jahre verdoppelt werden. Dies schafft für die von der Krise in Existenznot geratenen Unternehmen etwas mehr Sicherheit und halbiert die monatliche Belastung.“

Als weitere Hürde für die Unternehmen bei der Beantragung eines KfW-Kredits bei den Hausbanken sieht der Gesamtverband textil+mode die wie üblich geforderten Unterlagen, wie Fortführungsprognosen eines Unternehmens.

Uwe Mazura: „Wer jetzt nichts mehr produzieren kann, weil die Modegeschäfte geschlossen sind, wer keine Wäsche mehr an geschlossene Hotels verkauft oder keine textilen Zulieferungsprodukte in die geschlossene Automobil- und Luftfahrtindustrie mehr absetzt, kann keinen detaillierten Businessplan mit Fortführungsprognosen erstellen.“

Neben dem Wegfall dieser Hürden bei der Kreditvergabe fordert der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie Direkthilfen für die Branche. Wir brauchen ein Notpaket von mindestens einer Milliarde Euro, damit unsere mittelständische Textilbranche mit 1 400 Unternehmen und rund 135 000 Mitarbeitern überlebt.

„Unsere Unternehmen brauchen das Geld jetzt“, so der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes textil+mode. „Wer auf seiner Ware sitzt und nichts mehr verkaufen kann, aber weiter Kosten hat, braucht schnell Liquidität. Aus unseren Mitgliedsverbänden wissen wir, dass vielerorts rund 90 Prozent der Unternehmen bereits Kurzarbeitergeld beantragt haben, gut ein Viertel muss Stellen abbauen, ein Drittel rechnet mit Insolvenz. Damit vernichtet die Corona-Krise die deutsche Textilindustrie mit zahlreichen Traditionsmarken bei Bekleidung und Heimtextilien und Hersteller technischen Textilien. All das, was die deutsche Textilindustrie in den vergangenen Jahrzehnten an Werthaltigkeit und Knowhow aufgebaut hat, könnte in wenigen Wochen verloren sein!“

Textil- und Modeindustrie fordert Direkthilfe für Mittelstand

Die Textil- und Modeindustrie fordert angesichts der Coronavirus-Krise eine staatliche Direkthilfe für mittelständische Unternehmen. «Wenn es hier nicht schnell einen Hilfsfonds mit unbürokratischen Direkthilfen für die betroffenen Unternehmen gibt, verlieren wir in Deutschland eine mittelständische Branche», sagte die Präsidentin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, Ingeborg Neumann, am 27.03.2020. In vielen Textilunternehmen seien angesichts von Ladenschließungen und Produktionsstopps die Umsätze um bis zu 80 Prozent oder gar komplett weggebrochen.

Der Verband kritisierte, dass die Beantragung von staatlichen Rettungskrediten zu lange dauere - deshalb brauche es Direkthilfen. «Mit langwierigen Kreditverhandlungen ist unseren Unternehmen nicht geholfen», sagte Neumann. Die Bundesregierung solle deshalb unter anderem eine Milliarde Euro Soforthilfen für Unternehmen zur Verfügung stellen, die durch Ladenschließungen und dem Produktionsstopp keinen Absatz mehr haben. Hintergrund der Forderung ist die von einigen Branchen beklagte Förderlücke für mittelständische Unternehmen bei den staatlichen Direkthilfen.

Zuerst erschienen im Handelsblatt vom 27.03.2020; dpa-Meldung dazu vom 30.03.2020 weiter aufgegriffen von FAZ, Börse Online, Focus, textile network und weiteren 50 Zeitungen u. a. Aachener Zeitung, NOZ, Nordwest Zeitung.

Ingeborg Neumann: Unternehmen brauchen die Hilfen jetzt!

Viele Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie verzeichnen dramatische Umsatzeinbrüche. Die Corona-Krise geht einem Großteil der zumeist mittelständischen Unternehmen schon jetzt an die Existenz. Traditionsmarken und Familienunternehmen in der Bekleidungsindustrie trifft es genauso hart wie Hersteller technischer Textilien oder Autozulieferer.

Ingeborg Neumann, Gesamtpräsidentin der deutschen Textil- und Modeindustrie und BDI-Vizepräsidentin im Gespräch mit dem Bundeskorrespondenten Andreas Herholz.

Das Interview ist am 22.03.2020 u. a. erschienen in der Passauer Neuen Presse, Rhein-Neckar-Zeitung, Neue Osnabrücker Zeitung, Schweriner Volkszeitung, Wirtschaftswoche Online, Focus Online, Zeit online.

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Herholz: Frau Neumann, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens schreiten voran. Sie sprechen für 1400 zumeist mittelständische Unternehmen, wie ist die Lage in den Betrieben?

Neumann: Der Schaden ist immens, wir sind eine globale Industrie, unsere Lieferketten sind zusammen gebrochen. Viele unserer Unternehmen sind in einem Ausnahmezustand, viele im freien Fall etwa die Autozulieferer oder Bekleidungshersteller, weil der Handel seine Bestellungen storniert. Wir brauchen jetzt auch innerhalb unserer Wirtschaft viel Solidarität.

Herholz: Wird das zweite Milliardenpaket, das die Bundesregierung gerade schnürt, helfen?

Neumann: Kurzarbeitergeld haben viele schon beantragt, jetzt brauchen wir aber Direkthilfen. Wie sollen kleine und mittlere Unternehmen Kredite aufnehmen, wenn sie überhaupt keine Aufträge haben, aber die Kosten weiterlaufen? Die Banken bewerten nach überholten Kriterien. Wenn es hier ganz kurzfristig keine Direkthilfen gibt für Unternehmen bis mindestens 100 Beschäftigte, gehen viele unserer Betriebe in die Knie.

Herholz: Was hören Sie aus der Unternehmerschaft, laufen die Hilfen an?

Neumann: Nein, da hakt es aufgrund des gewaltigen Ausmaßes der Corona-Krise natürlich an vielen Stellen. Bei uns melden sich verzweifelte Unternehmer, die in Kürze ihre gesamte Existenz verlieren. Viele hängen in Warteschleifen. Hier müssen die Verwaltungen und Banken ihre Kräfte jetzt zusammenziehen.

Herholz: Ist die Globalisierung mit der Corona-Epidemie gescheitert?

Neumann: Nein. Wir brauchen in Zukunft aber eine nachhaltige Globalisierung. Die Epidemie zeigt doch gerade, dass wir Probleme nur gemeinsam und nicht als Nationalstaaten lösen können. Und wir brauchen eine funktionierende Industrie im eigenen Land. Deshalb muss die gesamte Gesetzgebung für das kommende Jahr auf den Prüfstand.

Herholz: Das heißt?

Neumann: Wir müssen Steuern senken, die C02-Bepreisung aufschieben. Und auch hier geht Bayerns Ministerpräsident Söder voran und hat massive Strompreissenkungen gefordert. Wir werden keine andere Wahl haben, sonst schaffen wir das nicht.

Herholz: Wie gehen Sie selbst als Unternehmerin mit der Krise um?

Neumann: Trotz der extrem angespannten Lage ruhig und besonnen bleiben; Panik war noch nie ein guter Ratgeber. Nach vorne schauen und wenn möglich, sich auf die Zeit zu konzentrieren, wenn wir unser öffentliches und unser Wirtschaftsleben wieder aufnehmen können.